
Counteroffer! Soll ich das Gegenangebot meiner Firma annehmen?
Ungefähr die Hälfte der Arbeitnehmer, die von ihrer gegenwärtigen Firma ein Gegenangebot (Counteroffer) erhalten halten haben, suchen nach zwei Monaten erneut nach einer neuen Position. Warum ist das so? Und wie soll ich mit einem erhaltenen Gegenangebot umgehen?
Zunächst einmal der Reihe nach:
Sie fühlen sich schon seit Längerem nicht mehr so richtig wohl bei ihrem Arbeitgeber. Woran das genau liegt, können Sie gar nicht so richtig festmachen. Irgendetwas muss sich ändern! Da sind Sie sich sicher. Dann kommt der überraschende, aber sehr willkommene Anruf eines Headhunters. Die beschriebene Position klingt sehr interessant. Der Headhunter stellt Sie dem neuen Unternehmen vor. Auch das neue Unternehmen findet Sie sehr interessant. Nach drei Gesprächsrunden unterbreitet das neue Unternehmen Ihnen ein Angebot. Sie sind begeistert und möchten das Angebot annehmen. Da Sie eine sehr lange Kündigungsfrist haben und vorher aus Ihrem aktuellen Vertrag aussteigen möchten, beschließen Sie vor Annahme des Angebotes Ihren aktuellen Chef zu kontaktieren.
Als Sie Ihrem Chef mitteilen, dass Sie kündigen möchten, reagiert dieser sehr schnell. Schon zwei Stunden später sitzen Sie im Büro Ihres Chefs. Ihr Chef hält Lobeshymnen auf Sie, wie Sie sie in der vergangenen fast 10 Jahren noch nie gehört haben. Und dann kommt eine weitere Überraschung: Ihr Chef möchte Sie nicht gehen lassen. Er sagt:
„Was immer das andere Unternehmen Ihnen an Jahresgehalt bietet – Ich biete Ihnen 30.000 Euro mehr!“
Sie sind überrascht und erinnern sich an die harten und mühsamen Verhandlungen im letzten Jahr, die in 150 Euro Gehaltserhöhung monatlich mündeten. Aber 30.000 Euro. Das ist ein Wort! Sie dachten, Sie hätten sich schon gegen Ihren aktuellen Arbeitgeber entschieden.
Doch bei 30.000 Euro mehr pro Jahr kommen Sie ins Grübeln:
„Soll Ich bleiben oder sollen ich gehen?“
Vor dem Gespräch mit Ihrem Chef wussten Sie, weshalb Sie Ihren derzeitigen Arbeitgeber verlassen wollten, und Sie hatten genug darüber nachgedacht. Sie dachten, Sie hätten eine fundierte Entscheidung getroffen. Durch das nun vorliegende Gegenangebot fühlen Sie sich psychologisch gesehen wieder wertgeschätzt und gebraucht; und auch das Angebot selbst ist mit 30.000 Euro zusätzlichem Gehalt sehr attraktiv. Aber:
Das eigentliche Problem bleibt bestehen
Sie fühlen sich jetzt vielleicht sehr wertgeschätzt, aber in der Regel tauchen im Laufe der Zeit fast immer wieder dieselben Gründe auf, die Sie veranlasst haben, auf ein Headhunter-Angebot zu reagieren. Aus Erfahrung kann ich Ihnen sagen: In der Regel bereuen es Kandidaten später, dass sie ein erhaltenes Angebot nicht angenommen haben.
Ich erlebe es oft, dass ein Kandidat, der ein Gegenangebot seines bisherigen Arbeitgebers angenommen hat, spätestens nach einem Jahr wieder auf der Suche auf einer neuen Position ist. Oft ist es so, dass es dann für den Kandidaten nach einem Jahr keine konkrete Position gibt, und er erst einmal mit „Magengrummeln“ im aktuellen Unternehmenskontext verbleibt oder sich „seitwärts“ entwickelt. Beides ist verlorene Zeit für den Kandidaten. Wäre der Kandidat ein Jahr vorher mutig gewesen und hätte das Gegenangebot zurückgewiesen, dann wäre er vermutlich glücklich bei seinem neuen Arbeitgeber.
„Mehr Geld sollte nicht die einzige Motivation sein, bei seinem aktuellen Arbeitgeber zu bleiben.“
Für Sie als Arbeitnehmer ist die Annahme eines Gegenangebots auf lange Sicht nur selten von Vorteil. Es existieren immer noch dieselben Gründe, die für einen Austritt aus dem Unternehmen sprechen. Diese werden jetzt nur durch mehr Geld und ggf. größeren Verantwortungsspielraum abgefedert.
Durch die Annahme eines Gegenangebots wird sich ihr Verhältnis zum aktuellen Arbeitgeber, zu ihrem Chef und zu ihren Kollegen radikal verändern
Sie sind der „Illoyale“, der den Arbeitgeber „erpresst“ hat. Das wird man Ihnen nicht vergessen. Ihre Kollegen werden sich außerdem über die Ihnen zugutegekommene Sonderbehandlung ärgern.
Sie haben es geschafft, dem Unternehmen das Risiko eines Abgangs aufzuzeigen. Man wird Zweifel daran haben, ob Sie sich weiterhin zu 100% zu den langfristigen Zielen des Unternehmens bekennen oder ob Sie zu 100% engagiert sind.
Sie schwächen Ihre Position im Unternehmen auch hinsichtlich zukünftiger Aufstiegschancen: Denn Beförderungen sind in der Regel denjenigen vorbehalten, die langfristiges Engagement zeigen und die 100% loyal sind.
Sie stehen mit der Annahme des Gegenangebots auf der „Abschussliste“
Wollen Sie weiter in so einem Unternehmen arbeiten? Warum hat man mit Ihnen in der Vergangenheit keine langfristige Karriereplanung gemacht? Warum hat man Ihnen im Rahmen einer Karriereplanung keine gehaltlichen Perspektiven aufgezeigt?
Es ist ausschließlich eine machiavellistische Motivation, die Ihren jetzigen Arbeitgeber zu einem Gegenangebot veranlasst. Ihr jetziges Unternehmen kauft sich damit Zeit, einen geeigneten Ersatz für Sie – den illoyalen Mitarbeiter – zu finden. Sobald man diesen Ersatz gefunden hat, sind Sie sowieso „raus“.
Bedenken Sie bitte auch, dass die Annahme eines Gegenangebotes das Unternehmen verärgert, welches Ihnen ein Angebot gemacht hat. Darüber hinaus kann es sich ggf. auch in Ihrer Branche herumsprechen, dass Sie ein Gegenangebot angenommen haben und Ihnen dadurch zukünftige Karrierechancen innerhalb der Branche verwehrt bleiben.
Wie können Sie eine derartige Situation verhindern?
Die einzige Antwort darauf:
Regelmäßiges 360 Grad-Feedback mit Ihrem Arbeitgeber inklusive mittel- und langfristiger Karriereziel- und Gehaltsplanung. Diese Planung sollten Sie mindestens einmal jährlich gemeinsam überprüfen. Solange Sie und Ihr Arbeitgeber die gleichen Erwartungen hinsichtlich Karriereziele und Gehalt haben, sind Sie dort gut aufgehoben. Stellen Sie irgendwann signifikant unterschiedliche Ziele und Erwartungen fest, dann sollten Sie einen Karriere-/Entwicklungsschritt außerhalb Ihres jetzigen Unternehmens in Erwägung ziehen.
Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer beruflichen Entwicklung.
Mehr zum Thema: Counteroffer aus Arbeitgebersicht
Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.
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