
„Hilfe, unser CEO ist zweitklassig“
Wie zweitklassige Chefs ganze Unternehmen ruinieren und was man dagegen tun kann
München, Sommer 2019
Nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft und des DFB-Pokals bereitet sich der FC Bayern München auf die neue Saison vor. Während der Vorbereitung fordern verschiedene Spieler namhafte Neuzugänge, so zum Beispiel Robert Lewandowski und Joshua Kimmich.
Robert Lewandowski meint dazu:
„Wenn man die Option eines zweiten Stürmers hat, ist das besser für die Mannschaft und auch für mich.”
Joshua Kimmich sieht es ähnlich:
„Wir wollen ja wieder ein bisschen was gewinnen … Konkurrenz tut immer gut und wenn ein Konkurrent da sein sollte, wird es mich auch anstacheln.“
Kaltenhain, Sommer 2019
In der Vorbereitung auf die neue Saison landet der Verbandsliga-Aufsteiger FC Kaltenhain einen großen Coup. Der ehemalige Bundesligastürmer Miroslav Lamm (36 Jahre) kehrt in seine Heimat zurück und schließt sich dem FC Kaltenhain an. „Ich möchte hier noch zwei bis drei Jahre kicken“, sagt Miroslav Lamm, „und meinem Heimatverein helfen, sich in der Verbandsliga zu etablieren“.
Ganz Kaltenhain ist begeistert – bis auf Stürmer Roman Bürger (24), der mit seinen 33 Toren in der letzten Saison maßgeblich dazu beigetragen hat, dass der FC Kaltenhain aufgestiegen ist. Als Roman Bürger im Trainingslager von der Rückkehr Miroslav Lamms erfährt, verlässt er noch am gleichen Tag das Trainingslager und schließt sich eine Woche später dem Gruppenligisten SV Königsbruch an.
Roman Bürger erklärt:
„Ich möchte immer spielen. Dies ist für mich bei Kaltenhain nach der Rückkehr von Miroslav nicht mehr möglich. Ich freue mich auf meine neue Rolle bei Königsbruch und werde für den SV bestimmt auch sehr viele Tore schießen.“
Parkinson’s Law
Beim FC Bayern sehen sowohl Robert Lewandowski als auch Joshua Kimmich Neuzugänge auf der eigenen Position nicht als Bedrohung, sondern als zwingende Notwendigkeit an, um auch zukünftig erfolgreich zu sein. Beim FC Kaltenhain verlässt der bisherige Top-Stürmer nach der Verpflichtung eines neuen Stürmer-Stars fluchtartig den Verein.
Warum ist das so?
Werfen wir hierzu einen Blick auf die Parkinsonschen Gesetze von 1957 (insbesondere auf Kapitel 8). Cyril Northcote Parkinson (siehe Bild) hilft uns bei der Einordnung und Erklärung weiter:
Erstklassige Spieler umgeben sich mit erstklassigen Spielern. Zweitklassige Spieler umgeben sich mit drittklassigen Spielern.
Die erstklassigen Spieler des FC Bayern wissen, dass sie nur gemeinsam mit anderen erstklassigen Spielern den maximalen Erfolg erreichen können. Sogar Verstärkungen auf der eigenen Position sehen erstklassige Spieler nicht als Bedrohung an, sondern sogar als Notwendigkeit und Ansporn.
Anders ist es bei unterklassigen (zweitklassigen) Spielern. Zweitklassige Spieler ertragen um sich herum keine erstklassigen Spieler, die ihnen die Show stehlen. Der erstklassige Spieler, der neu zu einem Team hinzustößt, wird für den zweitklassigen Spieler zu einem Problem, da sich dadurch Aufmerksamkeit, Status und Macht im Gesamtgefüge zu Ungunsten des zweitklassigen Spielers verschieben. Nur in einem Team von drittklassigen Spielern ist der zweitklassige Spieler der Star.
Die Bedeutung für die Unternehmenswelt
Unsere Erkenntnisse aus dem Fußball können wir 1:1 auf die Unternehmenswelt und auf Unternehmensleiter übertragen. Solange die Chefs erstklassig sind, werden erstklassige Mitarbeiter eingestellt. Erstklassige Chefs genießen konstruktive Reibung und Inspiration mit erstklassigen Mitarbeitern, da Reibung und Inspiration am Ende das Unternehmen voranbringen und jeden Einzelnen erfolgreicher machen.
Anders sieht es bei zweitklassigen Chefs aus: Jeder zweitklassige Chef sieht nicht nur erstklassige Mitarbeiter, sondern auch zweitklassige Mitarbeiter als Bedrohung an, da diese an seinem „Star-Status“ kratzen. Keiner darf besser sein als der Chef. Als Folge stellen zweitklassige Chefs nur drittklassige nachgeordnete Führungskräfte ein. Diese wiederum scharren viertklassige Mitarbeiter um sich, und so weiter …
Der zweitklassige CEO und die Folgen für das Gesamtunternehmen
An zahlreichen Beispielen (auch von DAX- und MDAX-Unternehmen) können wir beobachten, wie Unternehmen mit zweitklassigen Chefs nach und nach degenerieren. Ein zweitklassiger CEO duldet keine erstklassigen Kollegen im Vorstand neben sich. Erstklassige Kollegen werden entweder weggelobt, entmachtet oder verlassen von selbst das Unternehmen. Die frei gewordenen Positionen besetzt der zweitklassige CEO mit drittklassigen Managern aus seinem „Hofstaat“ (Netzwerk), die ihm treu ergeben sind und ihm nicht gefährlich werden können.
Cyril Northcote Parkinson zeigt uns mit seinen Gesetzen auf, wie es für Unternehmen danach weitergeht: Ist erst die Unternehmensspitze mit dem „Virus infiziert“, so wird im Sekundärstadium nach für nach das gesamte Unternehmen infiziert: Fähige Manager und Mitarbeiter werden sukzessive entfernt sowie deren Neueinstellung und Beförderung blockiert. Die zweite Führungsebene wird zunehmend mit drittklassigen Managern nachbesetzt, die dritte Führungsebene mit viertklassigen Managern, … und so weiter.
Im Tertiärstadium ist ein Unternehmen nach Parkinson dann „klinisch tot“. Man kann ein Unternehmen im Tertiärstadium nicht mehr retten. Es hilft dann nur ein totaler Neustart des Unternehmens mit neuem Namen, neuem Standort und neuer Mannschaft.
Befindet sich ein Unternehmen im Sekundärstadium, so besteht noch Hoffnung: In diesen Fällen kann laut Parkinson ein „chirurgischer Eingriff“ helfen, ein Unternehmen wieder auf Vordermann zu bringen. Dies bedingt jedoch, dass ein Unternehmen über einen erstklassigen Aufsichtsrat verfügt, der sich „traut“ wieder einen erstklassigen CEO mit eigenen Vorstellungen zu installieren.
Was kann ich tun, wenn ich in einem Unternehmen mit zweitklassigem CEO arbeitete?
Die einzige Chance, die Sie haben, ist ein erstklassiges Board: Wenn Sie beobachten oder sogar aktiv darauf hinwirken können, dass der Aufsichtsrat mit dem zweitklassigen CEO unzufrieden ist, dann können Sie eine gewisse Zeit im „Stealth Modus“ verweilen bis sich dieser Zustand ändert.
Ist der Aufsichtsrat jedoch selbst nur zweitklassig, dann bleibt Ihnen nur ein Ausweg: Verlassen Sie das Unternehmen so schnell wie möglich.
Wie erkenne ich als Bewerber zweitklassige CEOs und zweitklassige Unternehmen?
Werden Sie hellhörig, wenn Sie in Positionsbeschreibungen lesen: „Wir suchen Mitarbeiter, die zu uns passen“. Dies bedeutet in der Regel, dass man angepasste jasagende Lemminge sucht. Mitarbeiter, die über den Tellerrand hinaus schauen und Querdenker sind hier nicht erwünscht.
Gleiches trifft auf Leitlinien von Unternehmen zu, die in etwa lauten: „Unser unternehmerisches Handeln ist geprägt von der Philosophie des Max Mustermann (ersatzweise auch Steve Jobs, Elon Musk etc.)“. Wenn ein Unternehmen die Philosophie eines bestimmten Managers kopiert oder Unternehmens- und Führungsleitlinien insgesamt überbetont werden, ist auch dies ein starkes Indiz dafür, dass es sich um ein zweitklassiges Unternehmen handelt. Erstklassige Unternehmen sind keine Kopien und haben diese Überbetonung nicht nötig. Erstklassige Unternehmen lieben Diskurs, positive Friktionen und daraus entstehende Innovationen.
Wenn Sie Ihr Jobinterview mit dem CEO haben, dann schauen Sie sich auch sein Umfeld an:
Erstklassige CEOs umgeben sich mit erstklassigen Kollegen und Mitarbeitern.
Hiermit meine ich nicht nur die Vorstandskollegen, sondern auch persönliche Referenten, Assistenten, nachgeordnete Führungskräfte etc. Wenn Ihnen hier überwiegend starke Charaktere auffallen, dann ist die Chance groß, dass Sie es mit einem erstklassigen CEO zu tun haben.
Wie viele Interviews hatten Sie schon mit dem Unternehmen? Nach maximal drei Interviewrunden sollte das Unternehmen entscheidungsfähig sein. Erstklassige CEOs sind entscheidungsfreudig. Erstklassige CEOs wissen, dass Zeit kostbar ist und binden nicht unnötig Ressourcen.
Leave a Reply