
Die Effizienzprüfung des Aufsichtsrats als Chance für ein effektiveres Board
Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Unternehmen haben die Einhaltung des Deutschen Corporate Governance Kodexes (DCGK) im Rahmen einer Entsprechenserklärung jährlich zu bestätigen oder zu begründen, weshalb sie von den Empfehlungen abweichen. Dies sieht § 161 des Aktiengesetzes vor.
Der DCGK sieht unter Punkt 5.6. eine „regelmäßige Effizienzprüfung des Aufsichtsrats“ vor. Der DCGK trifft jedoch keine Aussage dazu, wie eine derartige Effizienzprüfung auszusehen hat und wie häufig diese Prüfung durchzuführen ist. Dies liegt im Ermessen des jeweiligen Unternehmens.
Die Effizienzprüfung ist mehr als eine bloße Compliance-Prüfung
Der DCGK versteht den Ausdruck „Effizienzprüfung“ in einem umfassenderen Sinn: „Durch die Effizienzprüfung soll insbesondere die Wirksamkeit bzw. die Zielerreichung und damit die Effektivität der Tätigkeit des Aufsichtsrats eine Verbesserung erfahren.“ Es geht also darum, die Aufsichtsratsarbeit systematisch auf ihre Erfolgswirkung hin zu beurteilen, diese zukünftig gegebenenfalls effizienter zu gestalten und damit die Motivation der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder zu erhöhen.
Die Effizienzprüfung als Selbstevaluation
Die konkrete Formulierung des Punktes 5.6. des DCGK („Der Aufsichtsrat soll regelmäßig die Effizienz seiner Tätigkeit prüfen.“) sieht eine Selbstevaluation des Aufsichtsrates vor. In der Praxis geschieht dies in der Regel mit mehr oder weniger standardisierten Fragenbögen, die teilweise mehrere Hundert Fragen umfassen und von externen Beratungsgesellschaften entwickelt wurden. Auch werden vermehrt Online-Tools – ebenfalls von externen Beratern entwickelt – unterstützend eingesetzt.
Organisation der Selbstevaluation
Die Vorbereitung der Selbstevaluation kann der Aufsichtsrats delegieren. Zur Unterstützung benötigt man nicht zwangsläufig eine große externe Beratungsgesellschaft oder den Hersteller eines Online-Evaluations-Tools. Als „Hilfsperson“ kann auch ein Mitarbeiter des Aufsichtsratsbüros oder – falls nicht vorhanden – ein einzelner externer Berater in Betracht kommen.
Umfang der Selbstevaluation und Evaluationsdesign
Die Praxis hat gezeigt, dass beim Beantworten von mehr als 100 Fragen eine gewisse Müdigkeit einsetzt und die Antworten nach einer gewissen Zeit nahezu wahllos werden. Die Fragen sollten zwar alle Aspekte der Aufsichtsratsarbeit adressieren, aber von der Anzahl her möglichst gering gehalten werden.
Keep it simple
An der INSEAD Business School ist das Kunststück gelungen, mit nur 12 Fragen Board-Effektivität umfassend zu messen. Das unter Leitung von Noelle Ahlberg Kleiterp entstandene Framework kann ohne Mühen auch auf deutsche Aktiengesellschaften adaptiert werden.
Die 12 Fragen werden von den Aufsichtsratsmitgliedern zunächst mit „wahr/falsch“ oder „Ja/Nein“ beantwortet. Zur Reflektion jeder Frage gibt es vertiefende Fragen, zu denen sich jedes Aufsichtsratsmitglied Notizen für die Diskussion im Board machen sollte.
Den Fragebogen können Sie hier einsehen.
Teilnehmerkreis und Durchführung
Die Fragebögen sollten in einem ersten Schritt an alle Aufsichtsratsmitglieder für ein Self-Assessment versandt werden. Die ausgefüllten Bögen konsolidiert die „Hilfsperson“ (Aufsichtsratsbüro oder externer Berater), bevor dann in einem Board Meeting eine Peer-Evaluation stattfindet. Die Praxis zeigt, dass ein externer Moderator für die Peer-Evaluation in vielen Fällen sinnvoll ist.
Zeitpunkt und Häufigkeit der Evaluation
Der DCGK verpflichtet zu einer „regelmäßigen“ Effizienzprüfung. In der Praxis ist bei „stabilen Boards“ in der Regel eine Evaluation alle 2 bis 3 Jahre ausreichend.
Ergebnisse nutzen
Setzen Sie sich im Rahmen eines Boardmeetings kritisch mit den Ergebnissen Ihrer Effizienzprüfung auseinander. Sehen Sie die Ergebnisse Ihrer Effizienzprüfung als Chance und Ansporn für die Weiterentwicklung Ihres Boards.
Bei Fragen und Anregungen zu dieser Thematik sprechen Sie mich gern an.
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